Kontrollierter biologischer Säureabbau(Teil 1 Weißwein)
Dr. Sibylle Krieger, Lallemand S.A., 71272 Renningen
Wein ist eines der ältesten Produkte, bei welchem mikrobielle Vorgänge wesentlich zu der Qualität des Produktes beitragen. Die Weinbereitung ist schon seit der Antike bekannt, dennoch finden neue Entwicklungen, insbesondere aus dem mikrobiolo-gischen Bereich erst langsam Zugang zu den Weinkellern. Moderne Weinbau-betriebe arbeiten heute unter rundum verbesserten hygienischen Bedingungen, bei denen nichts mehr dem Zufall überlassen wird, d.h. alle Prozesse werden kontrolliert, auch die Mikrobiologie. Am Anfang dieser Entwicklung standen die Reinzuchthefen, die Ende der siebziger Jahre eingeführt wurden und die heute Standard in jeder Kellerei sind. Zu Beginn der neunziger Jahre wurden Milchsäurebakterienkulturen eingeführt, die nun auch den Kinderschuhen entwachsen sind. Im neuen Millenium stehen dem Önologen hoch aktive Präparate zur Verfügung, die erlauben, den biologischen Säureabbau gezielt und kontrolliert einzuleiten.
Weiß- oder Roséweinen einen Glaubenskonflikt aus. Lange Zeit unterschied die kräftige knackige Säure Weine aus den kühleren Weinbauzonen von den Gewächsen aus südlichen Breiten. Offenbar hat sich aber der Geschmack vieler Konsumenten geändert. Sie bevorzugen fruchtigen, in der Säure milden Pinot Grigio oder Chardonnay (Klein, 1997). Die Frage lautet also: In welchen Weinen reduziert man die Säure und mit welcher Methode. Für viele Jahre wurde in dem biologischen Säureabbau nur ein Mittel zum Abbau der Äpfelsäure in Wein gesehen. In jüngster Zeit wird die "malolaktische Fermentation" zunehmend als wichtiges Werkzeug erkannt, um das Weinaroma und die Weinqualität zu definieren (Krieger, 1999). Weißweine mit biologischem oder teilweise biologischem Säureabbau verkosten sich oft aromatischer, fülliger und komplexer als nicht abgebaute oder chemisch entsäuerte Weine.
Die Entscheidung für oder gegen die biologischen Säureabbau muß schon sehr frühzeitig im Verlauf der Weinbereitung gefällt werden, um entsprechende kellertechnische Maßnahmen rechtzeitig anzuwenden zu können. Ist die Entscheidung "NEIN", dann hat man neben den bekannten Maßnahmen, wie gute Vorklärung, SO2-Zusatz und Temperaturabsenkung, seit dem 01. August 2000 mit Lysozym ein neues Werkzeug zur Verfügung, mit welchen gezielt gegen Milchsäurebakterien agiert werden kann (Gerbaux, 1998, Gerland, 1999). Lysozym ist ein Enzymextrakt aus Hühnereiweiß, der gezielt gegen Gram positive Bakterien, insbesondere Milchsäurebakterien, wirkt. Zahlreiche Versuche haben gezeigt, daß bei gleichzeitig vermindertem Einsatz von SO2, mit einer Lysozymgabe von 500 mg/l zu Beginn der alkoholischen Gärung bei Weinen mit erhöhtem Risiko zu spontanem BSA oder einer gesplitteten Gabe bei Weinen mit geringerem Risiko (je 250 mg/l Lysozym zu Beginn und am Ende der alkoholischen Gärung) der BSA verhindert werden kann. Nach Angaben von Gerbaux (1998) kann die SO2-Zugabe um 4 bis 5 g/hl reduziert werden, um bei 30 mg/l freiem SO2 noch ausreichenden mikrobiellen Schutz zu haben. Der Verlauf der alkoholischen Gärung wird durch Lysozym in keiner Weise beeinträchtigt.
Was man beim Lysozymeinsatz in Weißwein beachten sollte:
• Lysozym besitzt keine antioxidative Wirkung, d.h. auf SO2 kann nicht vollständig verzichtet werden.
• Bei Anwendung von Betonitschönung ist zu beachten, daß Lysozaym ein Eiweiß ist. Eine Betonitbehandlung würde das Enzym sofort inaktivieren. Eine beabsichtigte Betonitbehandlung ist entsprechend zeitlich vorzuziehen.
• Lysozym ist ein Protein und die inhibierende Wirkung läßt nach einigen Wochen nach. D.h. mit Lysozym kann der BSA über bestimmte Perioden der Weinbereitung blockiert werden, der Wein muß aber vor der Flaschenfüllung filtriert werden, um einen späteren BSA zu verhindern.
• Mit sinkendem pH-Wert nimmt die Aktivität von Lysozym ab.
• Bei Rückverschnitten mit nicht behandelten Weinen ist die Gefahr einer Rekontamination zu beachten.
• Lysozym verbleibt, wenn auch inaktiv, im Wein. Auf Grund der Eiweißstruktur von Lysozym zeigen behandelte Weine eine positive Reaktion beim Erhitzen. Jedoch konnte bei den mehrjährigen Versuchen niemals eine Trübung in der Flasche festgestellt werden.
• Zusatz von Metaweinsäure zu mit Lysozym behandelten Weinen führt auch bei vorbeugender Eiweißausfällung mit Betonit zu starken Trübungen. Ein Phänomen, das noch nicht geklärt ist
Trotz der Vorzüge und der guten und schnellen Aktivität von Lysozym sollten die Grundregeln guter kellertechnischer Praxis nicht vergessen werden: Hygiene, Hygiene, Hygiene.
Entscheidet man sich für einen partiellen Säureabbau, so kann man mit einer Lysozym-Gabe von 200 bis 300 mg/l den biologischen Säureabbau innerhalb weniger Stunden abstoppen. Man muß jedoch auch hier beachten, daß die Wirkung von Lysozym nachläßt und Rekontaminationen zu vermeiden sind. Im letzten Jahrgang wurde auch beobachtet, daß in bestimmten Weinen unter günstigen Bedingungen wilde Milchsäurebakterienstämme, zwar in geringen Keimzahlen, aber über mehrere Monate überleben können. Eine Beobachtung der ITV France ist noch zu bestätigen, es scheint jedoch, daß die selektionierten Bakterien in Starterkultur-präparaten wesentlich empfindlicher gegen Lysozym reagieren und sehr schnell und vollständig abgetötet werden im Gegensatz zu den Wildstämmen. Damit ist bei der Entscheidung für einen teilweisen Säureabbau der gezielte Einsatz von Starterkulturen dem spontanen Säureabbau eindeutig vorzuziehen. Abbildung 1 zeigt einen Versuch in einem 1999er Württemberger Riesling, in welchem der biologische Säureabbau mit Viacell Anastart direkt eingeleitet wurde: Variante 1 wurde nicht weiter behandelt, in Variante 2 wurde der biologische Säureabbau nach der Hälfte mit 250 mg/l Lysozym abgestoppt, in Variante 3 wurde mit einer Lysozymgabe direkt nach Beimpfung mit der Starterkultur der BSA von Beginn an verhindert. Der Lysozymzusatz bewirkte ein schnelles und effektives Absterben der Bakterien. 4 Tage nach Zusatz konnten keine Bakterien mehr nachgewiesen werden.
Ist ein Säureabbau erwünscht, dann muß über das "WIE" und das "WANN" entschieden werden ob spontan oder gezielt eingeleitet mit ausgewählten Starterkulturen? Bei der Entscheidung pro BSA muß man auch schon frühzeitig in der Weinbereitung die SO2-Zugabe begrenzen. Mehr als 50 mg/l Gesamt- SO2 und mehr als 15-20 mg/l freies SO2 können zu eine Verzögerung oder sogar das Ausbleiben des BSA bewirken, vor allem in Weinen mit tiefen pH-Werten. Bei Bevorzugung eines spontanen biologischen Säureabbaus sollte ein gesundes Lesegut vorliegen. Eine hohe Ausgangskeimzahl an spontanen Milchsäurebakterien könnte negative Auswirkungen haben, vor allem wenn Pediokokken oder Lactobazillen dominieren. Tritt der spontane biologische Säureabbau frühzeitig während der alkoholischen Gärung ein, kann dies zu unerwünschten Begleitprodukten führen, wie beispielsweise flüchtige Säure, reduktive Noten oder aber, bei einer Vermehrung von Pediokokken, zu erhöhten Gehalten an biogenen Aminen. In Weinen mit erhöhtem pH-Wert ist daher eine gezielte Beimpfung mit Starterkulturen, wie Viacell Anastart oder BioStart oenos SK1 vorzuziehen. Bei diesem erhöhtem Risiko können mit einer frühen Lysozymgabe (500 mg/l) die unerwünschten Bakterien abgetötet werden und dann zu einem späteren Zeitpunkt gegen Ende der alkoholischen Gärung oder direkt nach der alkoholischen Gärung der Säureabbau gezielt mit Starterpräparaten, mit definierten Eigenschaften, eingeleitet werden. Auf Grund der guten Temperaturtoleranz können diese neueren Starterkulturpräparate gerade auch im Weißweinbereich bei etwas tieferen Temperaturen eingesetzt werden. Man sollte bei dem Einsatz aber berücksichtigen, daß sich mehrere limitierende Faktoren für den BSA wie Alkohol, pH, Temperatur oder schwefelige Säure summieren können, das heißt die Hemmung der Bakterien wird verstärkt. Liegt z. B. der pH-Wert bereits am Limit von pH 3,05, so sollte die Temperatur eher im Optimumbereich bei ca. 18 °C liegen. Liegen höhere pH-Werte im Wein vor, so kann man die hohe Temperaturtoleranz der Stämme ausnutzen und den BSA bei 15 °C durchführen. Dies hat den positiven Nebeneffekt, daß hier das Wachstum unerwünschter Laktobazillen limitiert ist .
Ein weiterer Vorteil beim gezielten Einsatz von selektionierten Stämmen ist das geringe Wachstum dieser Stämme in Wein. Die Präparate werden in einer Keimzahl von ca. 2 Mio. Bakterien pro ml Wein eingeimpft und wachsen auf ca 50 Mio. Zellen/ml an. Bei einem spontanen BSA müssen die Bakterien von einer Ausgangskeimzahl oft unter 100 bis auf jene 50 Mio. Zellen/ml anwachsen, wobei vermehrtes Wachstum auch vermehrte Stoffwechselprodukte bedeutet. Es ist daher zu erwarten, daß ein gezielt eingeleiteter BSA das Weinaroma weniger beeinflussen wird. Laurent und Henick-Kling (1994) konnten zeigen, daß die Aromaeigenschaften von einzelnen Stämmen unterschieden werden können. Manche Stämme produzieren starke Butter-, Hefe- und Nußaromen, andere Stämme tragen keine starke Geschmacksstoffe bei. Abb. 2 zeigt den Säureabbau in einem 1999er Abstatter Burg Wildeck Riesling QBA (pH 3,03, Alkohol 95,0 g/l) bei einer Kellertemperatur von 18°C mit unterschiedlichen Starterkulturpräparten.
Der Säureabbau verläuft mit allen eingesetzten Kulturen vergleichbar und ist nach 30 Tagen beendet. Die Implantationskontrolle war bei allen Varianten positiv, das heißt, der eingeimpfte Stamm hat sich durchgesetzt und den BSA durchgeführt. Diese Kontrolle ist notwendig, um bei der nachfolgenden sensorische Bewertung auch wirklich gesichert den Beitrag des einzelnen Stammes bewerten zu können.
Trotz vergleichbarer Kinetiken beim Abbau der Äpfelsäure wurden die Weine nach dem biologischen Säureabbau sehr unterschiedlich bewertet. Der Wein, der mit dem Stamm MCW abgebaut wurde, unterschied sich deutlich in der Beschreibung "Körper/Intensität" von den anderen Präparaten. Dieser Stamm wird bevorzugt in Kalifornien eingesetzt und wird von den Kellermeistern gerne mit "buttery", "nutty" und "yeasty" beschrieben. Auffällig war bei der chemischen Analyse, daß in diesem Wein in der Mitte des biologischen Säureabbaus die höchsten Gehalte an Diacetyl gemessen wurden. Für das Präparat BioStart oenos SK1 konnte erneut sein Beitrag zur "Fruchtigkeit" bestätigt werden, während der Beitrag von Viacell Anastart bei verschiedenen Degustationen weltweit sehr oft mit komplex, strukturiert und lang im Abgang beschrieben wird.
Einfluß verschiedener BSA-Kulturen auf die sensorische Ausprägung eines 1999er Abstatter Burg Wildeck Riesling QBA
Diacetyl (Butternote) ist als ein wichtiges Stoffwechselprodukt der Milchsäure-bakterien während des BSA bekannt. Über die Struktur der anderen aroma-aktiven Verbindungen, die den Beitrag der einzelnen Stämme zum Weinaroma bestimmen, ist zur Zeit noch wenig bekannt. Richardson und Henick-Kling (2000) versuchen diese Verbindungen über die Verbindung von GC/MS und GC/Olfaktometrie zu entschlüsseln.
In geringen Mengen ist Diacetyl durchaus eine erwünschte Aromakomponente, in größeren Mengen wird die charakteristische Butternote vor allem in Weißwein abgelehnt. Dennoch läßt sich der Diacetylgehalt durch kellertechnische Maßnahmen beeinflussen. Abb.4 zeigt die Diacetylgehalte in einem 1998er Spätburgunder Weißherbst aus Baden. Bei diesem Versuch wurden verschiedene Starterkulturen in unterschiedlichen Beimpfungsstärken zusammen mit der Hefe oder direkt nach der alkoholischen Gärung dem Wein zugegeben. Alle Varianten wurden doppelt angesetzt. Direkt nach dem BSA wurde eine Variante geschwefelt und sofort filtriert. Die Vergleichsvariante wurde 4 Wochen lang auf dem Hefe- und Bakteriengeläger belassen, dabei einmal wöchentlich aufgerührt und dann erst geschwefelt. Die Diacetylgehalte am Ende des BSA waren in den einzelnen Gebinden sehr unterschiedlich. Der Beimpfungszeitpunkt der Kultur, entweder zusammen mit der Hefe oder direkt nach der alkoholischen Gärung, scheint keinen Einfluß zu haben. Auch große Unterschiede zwischen den eingesetzten Präparaten wurden nicht beobachtet, jedoch scheint die eingeimpfte Bakterienmenge eine Rolle zu spielen. So enthielten die Varianten mit hoher Bakterieneinsaat (5x106 KBE/ml), und damit geringem Bakterienwachstum, die geringsten Diacetylgehalte (1,1 mg/l), während in der Variante mit einer Einsaat von nur 2x104 KBE/ml Diacetylwerte von 3,9 mg/l gemessen wurden. Nach der Schwefelung gingen die Gehalte auf circa die Hälfte des Ausgangswertes zurück und blieben dann unverändert hoch. Bei den Varianten mit Lagerung auf der Hefe war eine erhebliche Abnahme der Diacetylkonzentration zu beobachten. Nahezu unabhängig vom Ausgangsgehalt wurde nach 4 Wochen nur noch 0,2 mg/l Diacetyl gemessen, was ungefähr dem Geschmacksschwellenwert in Chardonnay-Weinen entspricht. (Martineau und Henick-Kling, 1995).
Diacetylgehalte in einem 1998er Spätburgunder Weißherbst in Abhängigkeit von der Behandlungsmethode und Stärke der Beimpfung mit Starterkulturen
Basierend auf unseren Ergebnissen sehen wir in der Auswahl verschiedener Starterstämme mit definierten Leistungen und in der Applikation verschiedener oenologischer Verfahren ein geeignetes Mittel, den biologischen Säureabbau in seiner sensorischen Ausprägung zu lenken.
Gerbaux, V., Gerland, C., Villa, A.: Le Lysozyme: Nouvel outil biotechnologique pour maîtriser les bactéries lactiques. Revue des OEnologues n° 93 S, 44-46, 1998
Gerland, C.: Gestion de la flore bactérienne lactique: enjeu important pour l'élaboration de vins de qualité. Revue des OEnologues n° 96, 31-33, 1999
Klein, R.: Malo macht munter. Alles über Wein 1/97, 98-99, 1997
Laurent, M.H., Acree, T.E., Henick-Kling,T.: Changes in aroma and odor of Chardonnay due to malolactic fermentation. Weinwissenschaft 49, 3-10, 1994
Martineau, B., Henick-Kling, T., Acree, T.E.: Reassessment of the influence of malolactic fermentation on the concentration of diacetyl in wines. Am. J. Enol. Vitic., Vol. 46, No. 3, 385 - 388, 1995
Richardson, J., Arnik, K., Acree, T., Henick-Kling, T.: Flavor profiles created by various strains of Oenococcus oeni in malolactic fermentation of Cabernet Sauvignon. Poster session ASEV 2000 Seattle, 2000.